Ein Sinnesgarten und sieben Wohnungen

Die Apostel-Kirchengemeinde hat Lösungen für zwei ihrer ehemaligen Kirchen gefunden

Präsentierten die Pläne für die Gnaden- und die Paul-Gerhardt-Kirche: (von links): Presbyterin Ursel Nieswandt mit einem historischen Konfirmationsfoto aus GE-Ückendorf, Pfarrer Dieter Eilert mit einem Plakat zum Wiederaufbau der Gnadenkirche 1945 und Corinna Lee, Sprecherin des Diakoniewerks.

Präsentierten die Pläne für die Gnaden- und die Paul-Gerhardt-Kirche: (von links): Presbyterin Ursel Nieswandt mit einem historischen Konfirmationsfoto aus GE-Ückendorf, Pfarrer Dieter Eilert mit einem Plakat zum Wiederaufbau der Gnadenkirche 1945 und Corinna Lee, Sprecherin des Diakoniewerks.

Die Gnadenkirche wurde 1923 eingeweiht, nach dem Zweiten Weltkrieg auf den ursprünglichen Fundamenten neu errichtet und 2012 entwidmet. Das angeschlossene Gemeindezentrum war einer der letzten Neubauten im Kirchenkreis.

Die Gnadenkirche wurde 1923 eingeweiht, nach dem Zweiten Weltkrieg auf den ursprünglichen Fundamenten neu errichtet und 2012 entwidmet. Das angeschlossene Gemeindezentrum war einer der letzten Neubauten im Kirchenkreis.

Die Paul-Gerhardt-Kirche wurde 1967 eingeweiht und 2006 entwidmet. Auf dem Gelände stehen auch ein ehemaliges Gemeindehaus und ein ehemaliger Kindergarten. FOTOS: CORNELIA FISCHER

Die Paul-Gerhardt-Kirche wurde 1967 eingeweiht und 2006 entwidmet. Auf dem Gelände stehen auch ein ehemaliges Gemeindehaus und ein ehemaliger Kindergarten. FOTOS: CORNELIA FISCHER

GELSENKIRCHEN – Die Gnadenkirche an der Freiligrathstraße wird nächstes Jahr abgerissen. Das Presbyterium der Apostel-Kirchengemeinde Gelsenkirchen hat diesem Antrag in seiner Juni-Sitzung zugestimmt – „schweren Herzens“, so Pfarrer Dieter Eilert. „Immer, wenn eine Kirche abgerissen wird, ist es so, dass das Gemeindeherz ein bisschen blutet“. Es ist – nach der Johanneskirche in der Resser Mark – das zweite Gotteshaus im Kirchenkreis, das „niedergelegt“ (so der Fachausdruck) wird.


26 Kirchen in GE und WAT

Entwidmet wurden seit dem Jahr 2003 insgesamt sechs evangelische Kirchen in Gelsenkirchen. Zusätzlich mussten in Gelsenkirchen und Wattenscheid eine ganze Reihe von Gemeindehäusern, teilweise mit gottesdienstlichen Räumen (z.B. das Ludwig-Steil-Haus in Wattenscheid) geschlossen werden.

Derzeit gibt es im Kirchenkreis 25 Kirchen und ein Gemeindehaus, in denen regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden. Dazu kommt die Bleckkirche – Kirche der Kulturen mit unregelmäßigen Gottesdienstzeiten. Sie erfreut sich auch als Kirche für Trauungen großer Beliebtheit.

Ursache für den Kirchenschwund ist der Rückgang der evangelischen Bevölkerung: jedes Jahr gut 2 % der derzeit rund 80.000 im Kirchenkreis. Im langjährigen Mittel gehen 80 % dieses stetigen Verlustes an Gemeindemitgliedern auf den demografischen Wandel zurück: Es ziehen mehr Evangelische weg als zu, es sterben mehr Evangelische als geboren werden. Die restlichen 20 % des jährlichen Verlustes gehen auf Kirchenaustritte zurück.


Ein Garten im Grundriss der Kirche

Die Gnadenkirche im Schalker Norden (der ursprünglich zur Kirchengemeinde Bismarck gehörte und als Pfarrbezirk „Bismarck-West“ hieß) wurde 2012 entwidmet. Schon damals waren die Jugendräume im Keller nicht mehr benutzbar. Zu viel Feuchtigkeit hatte sich ins Mauerwerk geschlichen.

Im Oktober 2013 hatte das Diakoniewerk den gesamten Gebäudekomplex in Erbpacht übernommen. In das angeschlossene Gemeindezentrum zogen die Diakoniestation und eine Tagespflege ein. „Damals war geplant, die Kirche zu erhalten und in die diakonische Arbeit zu integrieren“, so Corinna Lee, Sprecherin des Diakoniewerks Gelsenkirchen und Wattenscheid. e.V. „Leider ließ sich das nicht umsetzen, weil die baulichen Mängel zu groß geworden waren.“ Nun möchten die Ambulanten Dienste des Diakoniewerkes anstelle der Kirche einen Sinnesgarten anlegen. „Er soll den Grundriss der Kirche haben und so an sie erinnern.“ Für die Gäste der Tagespflege, die häufig demenzielle Veränderungen haben, sei ein solcher Garten „emotional und kognitiv anregend“, so Lee. Wenn möglich, soll der Garten auch für die Öffentlichkeit zugänglich sein.

 

Ganz anders in Ückendorf

Die ehemalige Paul-Gerhardt-Kirche am Festweg gehört ebenfalls zur Apostel-Kirchengemeinde (ursprünglich zur Kirchengemeinde Ückendorf). Sie wurde bereits 2006 entwidmet, das Gemeindehaus und der Kindergarten auf demselben Gelände wurden geschlossen (bzw. umgezogen) – und danach wurde es mühsam. Die Fußball-Brüder Altıntop schlossen einen Erbpachtvertrag mit der Gemeinde. Der Plan: ein Beginenhof sollte auf dem Gelände entstehen und die Kirche zur Nutzung der MieterInnen erhalten bleiben. Doch dieser Plan scheiterte ebenso wie weitere Ansätze.

Erst zu Beginn dieses Jahres konnte die Gelsenkirchener Firma Bielefeld den Erbpachtvertrag übernehmen. Sie wird Gemeindehaus und Kindergarten zu fünf barrierefreien Wohnungen umbauen und auf den Gebäuden zwei weitere konventionelle Wohnungen errichten. Der Umbau beginnt, sobald die bereits beantragte Baugenehmigung vorliegt. Das Kirchengebäude soll erhalten bleiben und wird ggf. als Atelier genutzt. Später möchte die Firma auf dem Gelände ein bis zwei weitere Häuser mit Mietwohnungen errichten.


Das zweite Leben von Autoreifen

„Jetzt ist die Firma Bielefeld bereits dabei, das Gelände abzuräumen“, berichtet Ursel Nieswandt, stellvertretende Kirchmeisterin der Apostel-Gemeinde. „Da sah es furchtbar aus – wir als Gemeinde konnten ja 15 Jahre lang nichts tun, weil wir damit in die Rechte der Erbpächter eingegriffen hätten.“ So war das Gelände überwuchert von Bäumen und Büschen.

Eine kleine Überraschung gab es auch schon, so Nieswandt: „Über 80 Autoreifen hat die Firma aus der Erde geholt.“ Wie jetzt, haben die Ückendorfer dort ihre Winterreifen gelagert oder hat ein Schrotthändler das Gelände als Müllhaufen zweckentfremdet? Nein, es ist ganz einfach: In den 70er Jahren bekamen ausgediente Reifen im Kindergarten eine zweite Chance – als Schaukeln, als Bremsschutz vor harten Gegenständen oder als weiche (jedenfalls weichere) Unterlage zum Herunterfallen von Klettergerüsten oder Landen am Ende der Rutsche.