Eine Schulwoche voller Luther

Das Annette-von-Droste-Hülshoff-Gymnasium widmete sich der Reformation

Am letzten Tag der Projektwoche verkörperte Paul Becker (rechts) Martin Luther. Astrid Ohla und Marius Schmitz leiteten den ökumenischen Gottesdienst. FOTO: MAXIMILIAN WIESCHER

Am letzten Tag der Projektwoche verkörperte Paul Becker (rechts) Martin Luther. Astrid Ohla und Marius Schmitz leiteten den ökumenischen Gottesdienst. FOTO: MAXIMILIAN WIESCHER

GELSENKIRCHEN-BUER – In der letzten Woche vor den Herbstferien stand jeden Tag in der ersten Pause eine von Luthers 95 Thesen im Fokus. Am Mittwoch war These 45 an der Reihe: Wer einen Bedürftigen ignoriert und stattdessen Geld für Ablässe ausgibt, erwirbt keinen Ablass, sondern Gottes Verachtung. „Wofür geben wir Geld aus? Was wollen wir damit erreichen?“, fragte Markus Brauckmann-Berger aus der zwölften Jahrgangsstufe, der an diesem Tag Martin Luther verkörperte, seine Mitschüler in der Mensa. „Macht uns das, was wir kaufen, glücklich? Brauchen wir für unser Seelenheil wirklich immer die neusten Klamotten und Schuhe? Wäre unser Geld nicht manchmal im Teller eines Obdachlosen, im Koffer eines Straßenmusikers oder in der Friedensdorf-Paketaktion unserer Schule besser aufgehoben?“ Die These wurde mitsamt der Erklärung neben die Lutherrose gehängt, die die Glaswand der Mensa zierte.

Den Platz im Himmel kann man sich nicht kaufen

Neben der allmorgendlichen Thesen-Präsentation gab es auch eine Ausstellung in der Mensa, in der die wichtigsten Lebensstationen des Reformators erläutert wurden. Religions- und Philosophielehrer und einige Schüler beschrieben auf Aushängen im Flur vor dem Lehrerzimmer, was sie an Martin Luther schätzen. Die Aussagen reichten von „ohne Luther wäre Religion eine Aufgabe und kein richtiger Glaube“ bis „er deckte Missstände in der Kirche nicht nur gnadenlos auf, sondern versuchte auch mit aller Macht, sie zu ändern, ungeachtet der Konsequenzen für ihn“. Außerdem zierten Zitate von Luther die Schulwände. So war zum Beispiel in der Mensa zu lesen: „Warum rülpset und furzet ihr nicht? Hat es euch nicht geschmecket?“

Ein ökumenischer Gottesdienst im St.-Urbanus-Dom beschloss die Projektwoche. Pfarrerin und Religionslehrerin Astrid Ohla und Kaplan Marius Schmitz bauten darin vor dem Altar ihre Laptops auf und lasen die E-Mails vor, die sie sich bei der Vorbereitung der Predigt gegenseitig geschickt hatten. „Eine Dialogpredigt um den Luther-Satz schlechthin ‚Hier stehe ich, ich kann nicht anders‘“, begann Ohla, „Luther war fest von seiner Sache überzeugt, obwohl er wusste, dass ihn das Kopf und Kragen kosten konnte.“ Schmitz‘ Antwort: „Danke für die Zusammenfassung. Die Katholiken haben mittlerweile auch verstanden, dass man sich seinen Platz im Himmel nicht kaufen kann wie eine Aktie an der Börse. Aber handeln wir immer nach dem, was wir für richtig halten?“

Neuerdings cool: Selfies mit dem Playmobil-Luther

Beide kamen zu dem Ergebnis, dass man sich oft mehr nach den Erwartungen anderer richte, um nicht Gefahr zu laufen, allein dazustehen. „Ich würde gerne eine Zeitreise ins 16. Jahrhundert unternehmen, als man überall den Geist ‚es geht auch anders‘ spürte. Wie würden die Menschen von damals darüber staunen, dass hier jetzt evangelische und katholische Christen friedlich zusammen Gottesdienst feiern?“ fragte sich Ohla und Schmitz ergänzte: „Eigentlich können wir die E-Mails so, wie sie sind, als Predigt verwenden. Also: Enter, senden, Amen.“

„Ecclesia semper reformanda – die Kirche muss laufend erneuert werden. Aber ändern müssen sich in erster Linie die Menschen.“ So lautete Ohlas abschließendes Fazit. „Das habe ich in dieser Woche schon beispielhaft erlebt. Selbst Schüler, die vorher der Kirche nicht so nahe standen, engagieren sich jetzt für die kirchliche Sache. Oder schießen Selfies mit dem Playmobil-Luther, weil das neuerdings als cool gilt. Vielleicht gilt es ja bald als genauso cool, Selfies aus dem Jugendkreis zu posten, in dem sie sich neuerdings engagieren?“ MW