Eingeladen wurde „Frau Seibold“ von Pfarrerin Antje Röckemann vom Referat für Gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Gelsenkirchen und Wattenscheid. Röckemanns besonderes Engagement für Vielfalt und interkulturellen Dialog zeigte sich bereits in der Planung des Abends, den sie bewusst in den Kontext des Theaterprojekts „IMPRO-Theater international“ stellte – und durchaus absichtlich am Vorabend des Pogromnacht-Gedenkens. Hinter welche Fahne laufen wir heute hinterher?
Schon mit ihrem Eintritt in den Saal hatte die schwäbelnde „Adele Seibold“ die volle Aufmerksamkeit: Mit ihrer authentischen Schwaben-Art und hinter einer durchsichtigen Fahne zog sie durch das Publikum und erkundigte sich schon zu Beginn, ob man sie denn „gut verstehen tut“. „Ich bin nicht von da, aber ihr versteht mich schon, gell?“, fragte sie augenzwinkernd. In ihrem lila Kleid, Kapotthut und Bügelhandtasche brachte „Frau Seibold“ das Thema Vielfalt mal anders auf die Bühne und zog damit das Publikum auf ihre Seite.
Wann darf man sich heimisch fühlen und wer bestimmt, wo jemand hingehört? Oder in „Frau Seibolds“ Worten: „Wie lange muss man da sein, um von da zu sein?“
Ihre Nachbarschaft im Wohnblock in Stuttgart beschreibt sie als „die ganze Welt vorm Küchenfenster“: Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion leben Tür an Tür – ein Bild, das sie im Laufe des Abends mit viel Charme und Offenheit immer wieder aufgriff.
Eine Hymne für die Vielfalt
„Frau Seibolds“ Begleitung des Abends war eine durchsichtige Fahne – keine Farben, keine Muster, keine Wappen, keine Sterne. Und so versuchte „Frau Seibold“, gemeinsam mit dem Publikum eine passende Hymne zu finden. Musikalisch begeisterte Frau Seibold das Publikum besonders. Von der Europa Hymne „Ode an die Freude“ bis hin zu „Die Gedanken sind frei“ sorgte sie für herzliche Mitsing- Momente, während sie ihre durchsichtige Fahne schwenkte.
„Vor meinem Fenster ist die Welt versammelt“
Die Geschichten ihrer bunten Nachbarschaft aus ihrem Stuttgarter Küchenfenster führte sie zu einem einzigartigen „Integrationsvorbild“: Zwetschgenkuchen mit Hefeteig. „Hefe, Mehl, Wasser, Ei, Zucker vermischen - da kommt alles zusammen, vermengt sich und wird zu was Neuem.“ Ihr Kuchen wird dann gemeinsam in der Nachbarschaft gegessen, verschiedene Menschen kommen zusammen und begegnen sich – und auch „Frau Seibolds“ heimliche Liebe darf nicht fehlen.
„Frau Seibold“ vereinte die Elemente eines Kabarettabends mit einer liebevoll gestalteten Botschaft für interkulturelles Zusammenkommen. Mit Humor und Herz verabschiedete sie sich mit der Fahne in der Hand, schwenkend wie ein Friedenssymbol und zum Lied „I Believe in Angels“ von ABBA. Das Publikum war sich einig: Die Fahne ist bunt und steht schließlich für alle. SSo passte es gut, dass Pfarrerin Röckemann der „schwäbischen Gemeindefrau“ dann ein Dankeschön in Form eines regenbogenfarbigen Notizbuchs überreichte, um darin weitere Ideen für ein buntes Miteinander festzuhalten.
Mehr Informationen zu Dr. Gisela Matthiae gibt es unter https://www.clownistin.de/ und auf ihrem Instagram Kanal @clownistin.
Text: Nada Ftouni
Fotos: Cornelia Fischer