„Die Menschen hatten Redebedarf, insbesondere zum Thema Migration“, stellt auch Moderator Jörg Steinkamp fest. Gemeinsam mit Janina Amrath führte er sehr professionell durch die 90-minütige Veranstaltung.
Auf dem Podium versammelten sich die Vertreter*innen von CDU, SPD, Grünen, Linke, FDP und der AfD. Und alle sind entsprechend dem Motto der Kirchen „Für Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt“ gut miteinander umgegangen. Alle, bis auf den Vertreter der AfD.
„Völlig aus dem Zusammenhang gerissen, ohne direkten Anlass griff er plötzlich Max Lucks von den Grünen verbal massiv an“, erinnert sich Steinkamp. „Er drohte ihm eine Ohrfeige, eine „Backs“ an, wenn noch einmal das Wort Nazi in irgendeinem Zusammenhang mit seiner Partei fallen würde.“
Auch Pfarrerin Monika Vogt von der Evangelischen Kirchengemeinde Wattenscheid, die diese Veranstaltung in der Friedenskirche maßgeblich mit geplant hat, war von diesem Verhalten völlig überrascht. Alle, sowohl Besucher*innen als auch die Kandidat*innen auf dem Podium waren zu einem respektvollen, friedlichen Umgang miteinander aufgefordert worden, alle hatten beim Betreten der Kirche einen entsprechenden Aufruf in schriftlicher Form erhalten.
Und dann droht der AfD – Vertreter ganz offen mit Gewalt! Wie damit umgehen? Kurz stand ein Abbruch der Veranstaltung im Raum. Doch dann, nach intensiver Beratung, entschieden sich sowohl die Verantwortlichen als auch die Vertreter*innen der demokratischen Parteien auf dem Podium für ein Fortführen. Schließlich ging es um viele wichtige Themen und da wollte dann doch niemand für diesen Vorfall den ganzen Abend opfern. Und schließlich konnten so alle Anwesenden hautnah wahrnehmen, was von dieser Partei und seinem Vertreter zu halten ist.
„Dass der Kandidat der AfD einem anderen Kandidaten Gewalt androht, passt irgendwie ins Bild der Partei, aber wenn es dann konkret passiert…
Der Vertreter der AfD ließ dann auch im Weiteren nicht erkennen, dass ihn demokratische Regeln zur Konfliktlösung und rechtliche Dimensionen von Gewaltandrohung bremsen“, stellt Superintendent Heiner Montanus, der diese Veranstaltung besuchte, klar.
Wichtiger wurden an diesem Abend dann aber schnell wieder die vielen drängenden Fragen der Besucher. Sogenannte Anwälte des Publikums sammelten diese, bündelten die Themen und reichten sie so an das Podium weiter. Wie halten Sie es mit dem Klimaschutz, Fragen zu Wirtschaft, Migration, gesellschaftlichem Zusammenhalt, zu diesen Themen kamen viele Fragen.
Die Kandidat*innen diskutierten angeregt, in der Sache durchaus engagiert. Und auf die Frage, wie es einem CDU – Mitglied damit geht, dass Friedrich Merz seinen fünf-Punkte Plan zur Migration im Bundestag nur mit Zustimmung der AfD durchbekam, antwortete CDU-Kandidatin Fee Roth, dass sie sich dagegen entschieden hätte: „Ich kann das nicht unterstützen.“
Die Veranstaltung war ein großer Erfolg, so war aus dem Publikum zu hören, weil man sehen konnte, wie man gemeinsam Politik machen kann, auch mit durchaus unterschiedlichen politischen Ansätzen.
Und auch Superintendent Heiner Montanus zeigte sich über den großen Zuspruch erfreut: „Das Konzept, externe Moderatoren mit der Durchführung zu beauftragen, hat sich m.E. bewährt. Deren Professionalität war zu spüren und hat der Veranstaltung gutgetan.“
Nach rund 90 Minuten ging die Podiumsdiskussion in der Friedenskirche zu Ende. Viele Besucher diskutierten im Anschluss noch miteinander weiter. „Die Parteienvertreter konnten zeigen, wer sie sind, wofür sie stehen“, so eine Besucherin. Ein Besucher fügt hinzu: „Ich fand es gut, die Menschen, die unsere Stadt im Bundestag vertreten wollen, hier noch mal zusammen zu erleben.“
Und das Grundthema der Veranstaltung, Menschenwürde, Nächstenliebe, Zusammenhalt, wurde das dabei deutlich? Heiner Montanus dazu: „Alle konnten ihre politischen Positionen mit dem Hinweis darauf begründen bzw. davon ableiten. Nur: Was etwa Menschenwürde und Nächstenliebe heißt, unterscheidet sich zumindest zwischen AfD auf der einen und den demokratischen Parteien auf der anderen Seite. Gilt Nächstenliebe denen, die so sind wie ich? Oder gilt sie in gleicher Weise und besonders auch den Fremden, den so ganz anderen? Jesus – die Veranstaltung fand in einer Kirche statt – hat Nächstenliebe als Feindesliebe definiert und nicht als Leistung innerhalb von Familie oder Nation.“
So etwas könnte man doch öfter machen, diesen Wunsch äußerten einige Besucherinnen und Besucher gegenüber Pfarrerin Monika Vogt am Ende der Veranstaltung.
Text: Frauke Haardt-Radzik
Fotos: Katholische Kirche Wattenscheid