GELSENKIRCHEN/WATTENSCHEID – „Die Camping-Freizeiten in Italien und Spanien waren die ersten, die abgesagt wurden.“ Aus dem kollektiven Gedächtnis sind die ersten Märzwochen schon fast verschwunden. Doch Barbara Eggers, Leiterin des kreiskirchlichen Jugendreferates, hat diese Zeit noch lebhaft vor Augen. „Südeuropa hatte so hohe Corona-Infektionszahlen, dass eine Freizeit mit Kindern und Jugendlichen dort unverantwortbar erschien.“ In den Wochen darauf haben die JugendleiterInnen der Kirchengemeinden und CVJMs viel überlegt und diskutiert, Risiken abgeschätzt und die Entwicklungen immer wieder abgeklopft: Was geht vielleicht und was geht gar nicht? „Zudem war das eigentlich die Phase der Anmeldungen“, so Eggers. „Und die kamen natürlich nicht mehr.“ Im Ergebnis mussten sechs der geplanten sieben Sommerfreizeiten abgesagt werden.
Veranstalter müssen auch überleben
Die Kulanz der Reiseveranstalter ist extrem unterschiedlich. „Das Land NRW hat uns erlaubt, die öffentlichen Zuschüsse auch für die Stornierungskosten zu verwenden“, berichtet Eggers. Weil das Jugendreferat für die Verteilung der Zuschüsse zuständig ist, muss sie nun sorgfältig abwägen, welche Gemeinde bzw. welcher CVJM was bekommt. Sie sorgt sich auch um die Reiseveranstalter: „Da ist teilweise richtig gute Zusammenarbeit gewachsen. Das möchten wir nicht aufgeben, weil sie aufgeben müssen.“
Eine kam durch
Nur die Freizeit des CVJM Erle auf der Nordseeinsel Borkum findet im Sommer 2020 wie geplant statt – und ist komplett ausgebucht. Eigentlich sind es sogar zwei: Eine für Kinder und eine für Jugendliche, jeweils mit eigenem Programm und eigenem Betreuungsteam, aber zur gleichen Zeit im selben Haus. „Das Haus ist groß genug und nur zur Hälfte belegt“, weiß Barbara Eggers. „So kann genügend Abstand sowohl auf den Zimmern als auch im Speisesaal eingehalten werden.“ Und auf Borkum, im Hochsommer – da findet die Freizeit im Wesentlichen am Strand statt. Da ist Platz genug.
Viele Aktionen entstanden
In der Öffentlichkeit werden die Rufe nach Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in den Sommermonaten immer lauter. Was können die Offenen Türen, Teiloffenen Türen, Jugendhäuser und Nahbereichshäuser der Evangelischen Jugend im Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid dazu beitragen? Eggers: „Bereits während der kompletten Schließung haben sich die Hauptamtlichen und ihre Teams ganz viel einfallen lassen. Es gab und gibt witzige Online-Aktionen wie die Keks-Challenge der Apostel-Jugend. Statt offener Türen gab es ‚offene Fenster‘. Dort konnten die Kinder sich Spiele ausleihen oder bekamen Tüten mit Bastel-Sets. Schön fand ich auch die Idee, etwas zu malen oder zu basteln und es dann an Mitglieder der Frauenhilfen zu verschenken. So entstand Kontakt zwischen Jung und Alt.“
„Offene Türen“ mit Anmeldung?
Jetzt dürfen die Jugendhäuser zwar wieder öffnen – aber vom Normalbetrieb sind sie noch weit entfernt. „Die Verantwortlichen arbeiten mit Hochdruck an den Schutzkonzepten, um die Corona-Auflagen einzuhalten. Die müssen sie den Presbyterien zur Genehmigung vorlegen.“ Und dann: „Offene Türen kann es noch gar nicht geben, weil sich immer nur eine bestimmte Anzahl von Personen gleichzeitig in den Räumen aufhalten kann, je nachdem, wie viele Quadratmeter zur Verfügung stehen.“
Alternativen zum Spielen am PC
Tischtennis geht und Billard eigentlich auch. Für den Kicker arbeitet eine gelernte Schreinerin gerade an einer Konstruktion mit einer Plexiglasscheibe über dem Spielfeld und zwischen den Kontrahenten. „Geländespiele sind natürlich möglich und viele Sportarten. Auch einige Bewegungsspiele im Kreis – wenn auch nicht gerade ‚mein rechter Platz ist frei‘“, meint Eggers trocken.
„Was leider gar nicht geht, sind sämtliche Vertrauensspiele. Da geht es immer um Kontakt, um Berührung, darum, sich fallen zu lassen und gehalten zu werden.“ Brett- oder Kartenspiele kann man auch mit dem Handy oder Tablet, also auf Distanz, spielen, aber davon hält sie nicht viel. „Wir möchten Kindern eher Alternativen zum Computer bieten.“
Kinder aus prekären Familien erreichen
Dass die Evangelischen Jugendhäuser in Gelsenkirchen und Wattenscheid schöne und spannende „Corona-Spiele“ anbieten und gestalten werden, davon ist die Leiterin des kreiskirchlichen Jugendreferates überzeugt. Ihre große Sorge gilt den Kindern und Jugendlichen, die in armen oder bildungsfernen Familien leben und die Angebote zur Freizeitgestaltung am meisten brauchen. Das Kernproblem: „Wie sollen wir sie erreichen? Erst durften wir keine Kontaktdaten sammeln wegen der Datenschutzgrundverordnung. Jetzt muss man zwar schon bei jedem Restaurantbesuch alles angeben, aber das nützt den Kindern nichts.“ Die Evangelische Jugend arbeitet auch hier an Lösungen, etwa Kontakt über Schulen und Kitas, Aushänge oder die guten alten Handzettel.
Gahlen hat stark gelitten
Das Jugendreferat selbst denkt für den Sommer an Tagesausflüge nach Gahlen, in die Kinder- und Jugendfreizeitstätte des Kirchenkreises. Einerseits ist sie mit ihrem großen Gelände für Aufenthalte mit Corona-Distanz bestens geeignet, andererseits hat sie natürlich unter den Auswirkungen der Pandemie stark gelitten: Schulausflüge, Konfi-Freizeiten - alles ist wochenlang ausgefallen. „Da müssen wir auch noch gucken, wie es finanziell weitergeht.“