GELSENKIRCHEN-BISMARCK – Zwölf surrealistisch wirkende Foto-Kunstwerke im Großformat hängen unter den Seitenemporen der Bleckkirche. Sie sind auf Aluminiumplatten gedruckt – ein Material, das an die industrielle Vergangenheit des Ruhrgebiets erinnert. Auf einem von ihnen ragen die Hälse von mehreren kranken Seevögeln, die um das Überleben kämpfen, aus einem verölten Gewässer. Im Hintergrund sind die Konturen einer Chemiefabrik zu erkennen. Es trägt den Titel „Aussichtslos“.
„Die Reformation war nicht nur eine religiöse, sondern eine gesamtgesellschaftliche Angelegenheit.“, erklärte Pfarrer Thomas Schöps, als er am 7. April die ersten 25 Besucher der Ausstellung begrüßte, „Die Grundidee von der Freiheit des Christenmenschen wirkte sich auch auf das Verhältnis des Einzelnen zum Staat und auf die Wirtschaftsordnung aus. Ein Fortschrittsglaube entstand, der die Welt bis heute prägt. So wurde vor 500 Jahren der Samen für die Globalisierung und den Kapitalismus gelegt. Heute gilt es, diesen Samen zu hinterfragen.“
Der Kunsthistoriker Hans-Jörg Loskill erinnerte in seinen Erklärungen an den Informatiker Jaron Lanier. Dieser ist für seine Forderung nach einem „digitalen Humanismus“ bekannt und für seine Kritik daran, wie das Internet-Zeitalter die Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen einschränkt. In der scheinbaren Grenzenlosigkeit der Technik plädiert er für moralische und menschliche Grenzen. Christoph Woloszyns Fotos seien virtuelle Spiegel für das Verhalten aller Menschen und symbolbeladene Mahnmale für die Zukunft, kein Ausdruck von Sehnsucht nach einer vermeintlich besseren Vergangenheit. „Woloszyn will mit seinen Werken aufwecken und anklagen“, erklärte Loskill, „Hoffentlich hat die Menschheit noch Zeit, diese Werke nicht Realität werden zu lassen.“ Christine Eisen am Saxofon und Peter-Andreas Rudolph an der Gitarre ergänzten die Ausstellungseröffnung mit teilweise ruhiger und nachdenklicher, teilweise druckvoller und bedrohlicher Musik.
Der Künstler selbst fasste das Thema seiner Bilder ziemlich kurz zusammen: „Es geht um das Leid der Menschen als Folge der Umweltvergiftung.“ Der gebürtige Pole lebt seit 30 Jahren in Hagen, hat in Bochum Fotodesign studiert und präsentiert seit sechs Jahren an wechselnden Orten im Ruhrgebiet seine Fotoausstellungen. 2016 wurde er mit dem Monochrome Photography Award ausgezeichnet. Seine Ausstellung „In den Grenzen von morgen“ thematisiert eindrucksvoll die Folgen der Umweltverschmutzung und des grenzenlosen Ausbeutens der natürlichen Ressourcen. Sie wirft die Fragen auf, ob wir die Grenze unserer Belastbarkeit erreicht haben, wann uns die Luft ausgehen wird und ob es so weitergehen muss. Die Bleckkirche ist nicht ohne Grund als Ausstellungsort gewählt: Als „Kirche der Kulturen“ ist sie schon seit über 20 Jahren eine feste Institution. In ihr verbindet die Ausstellung die christliche Botschaft mit einem Appell an die soziale Verantwortung aller Menschen.
Die Bildkomposition mit dem Titel „Wehrlos“ zeigt die monströse Kulisse des Chemieparks Marl, davor in dunklen Rottönen die Konturen eines ungeborenen Kindes in seiner Fruchtblase. Die Verbindung von Organischem und Industriellem, von der Krankheit von Menschen und der Krankheit der Umwelt, finden sich in vielen von Woloszyns Bildern. So auch in „Giftwege“, wo sich eine Kläranlage und zwei menschliche Nieren überlagern. Auf der Harnblase ist ein heller Lichtfleck zu sehen – möglicherweise ein Symptom für Blasenkrebs und damit für das Versagen der Entgiftung.
Besucher können sich die Ausstellung bis zum 7. Mai samstags und sonntags ansehen. Geöffnet ist sie jeweils von 12 bis 18 Uhr sowie zu Veranstaltungen in der Bleckkirche, Bleckstraße 56, 45889 Gelsenkirchen-Bismarck.