GELSENKIRCHEN – 174 Teelichter brannten im letzten Gottesdienst des Kirchenjahres an den Rändern des Gottesdienstraumes und des Altarraumes der Adventskirche. Sie standen für die 174 Mitglieder der Trinitatis-Kirchengemeinde, die seit November 2018 verstorben sind. Das Team, das diesen „Gottesdienst Spezial“ gestaltete, las alle 174 Namen vor. Nach jedem Monat wurde eine Rose an das Altarkreuz gesteckt. „So verbinden wir den Tod der Menschen mit Jesu Tod am Kreuz“, erklärte Sabine Schmidt, eine der Moderatorinnen des Gottesdienstes. „Denn wir glauben, dass Jesu Tod für uns die Brücke ins ewige Leben ist.“ Zusätzlich folgte immer nach jeweils drei Monaten eine Strophe des Liedes „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ – angestimmt und begleitet von der Band mit zwei Sängerinnen, Klavier, zwei Gitarren und Cajon. Die meisten Todesfälle, nämlich 21, verzeichnete die Gemeinde im April 2019. Die letzten vier der insgesamt 174 Todesfälle lagen höchstens eine Woche zurück.
Genau wie die Band war auch das Schauspiel ein unverzichtbarer Bestandteil dieses „Gottesdienst Spezial“: Im Altarraum, der als Theaterbühne diente, ließ das Gottesdienst-Team die Gemeinde dieses Mal an einem Beerdigungs-Kaffeetrinken teilhaben. Hinterbliebene, die sich vielleicht teilweise untereinander noch nicht einmal kannten, tauschten Erinnerungen an die Verstorbene aus: „Ich habe immer so gern mit ihr im Büro zusammengearbeitet.“ – „Ich weiß gar nicht, was wir im Kegelclub jetzt ohne sie machen sollen. Sie hat immer perfekt die Kasse geführt. Und ihre Kuchen für unserer Feste … viel besser als dieser trockene Kuchen hier!“ – „Ich wollte nächstes Jahr noch mit ihr zusammen an die See fahren und jetzt ist alles vorbei!“ – „Beim letzten Weihnachtsmarkt wollte sie unbedingt Ofenkartoffeln haben, aber sie sagte: Die Schlange ist mir zu lang, ich mache das nächstes Jahr. Dazu kam es nie. Dieses Jahr gehe ich allein zum Weihnachtsmarkt und stelle mich bei den Ofenkartoffeln an, egal wie lang die Schlange ist!“
Anstelle einer Predigt tauschten Pfarrer Matthias Siebold und seine Kollegin Antje Grüter sich darüber aus, was von den Menschen bleibt, von denen man Abschied nimmt. „Ich wünsche mir jedenfalls, dass meine Angehörigen am Ende über mich sagen: Sie hat mir gut getan in meinem Leben und meinem Glauben“, meinte Grüter. Siebold ergänzte: „Mir gefallen besonders einige Bilder in der Bibel, zum Beispiel der Gedanke daran, dass man bei Gott zu Hause ist – Psalm 23, Hebräerbrief, Offenbarung und so weiter.“ – „Aber für viele Menschen sind solche Bilder fremd geworden. Dafür denkt man an andere, zum Beispiel sagen Hinterbliebene in Trauergesprächen oft so etwas wie: Jetzt sieht sie ihre Familie wieder.“ Karl Barth wurde mal gefragt, ob man nach dem Tod seine Lieben im Himmel wiedersieht. Seine Antwort lautete: Ja, aber die anderen auch.
In anderen Teilen der Welt sei ein deutlich unbeschwerterer Umgang mit dem Tod üblich, zum Beispiel in Mexiko, wo man an Allerheiligen und Allerseelen alle Gräber farbenprächtig schmückt und dann auf den Friedhöfen Festmähler veranstaltet und das Leben feiert. „Ich kann mir zwar nicht vorstellen, auf dem Hauptfriedhof in Buer meinen Campingtisch aufzustellen“, meinte Siebold, „aber es ist doch ein schöner Gedanke, dem Tod nicht das Feld zu überlassen, noch nicht mal den Friedhof.“
Der „Gottesdienst Spezial“ hat immer großen Zuspruch. Der nächste findet statt am Sonntag, 16. Februar, um 18 Uhr. Das Thema wird noch bekannt gegeben.