Nicolai-Kirche, Ückendorfer Straße 108, GE-Ückendorf
Link zur Trägerin: Evangelische Apostel-Kirchengemeinde Gelsenkirchen
Mit dem Eingang zur Straße
Schon klar, eigentlich ist im EG 225 von „offnen“ Türen die Rede – aber ein Rundgang um die Nicolai-Kirche zwingt die Umdichtung geradezu herbei und die Betrachterin möchte es laut heraus singen: „Sein Haus hat viele Türen, er ruft uns in Geduld…“. Hält Nicolai im Kirchenkreis Gelsenkirchen und Wattenscheid den Türen-Rekord? Zwei bilden das Portal, rechts und links daneben führt jeweils eine in die Seitentürme. An jeder Längsseite gibt es einen Eingang und auf der Rückseite gibt es noch einmal zwei Treppenaufgänge, die -natürlich- zu Türen führen. Mitgezählt? Acht Türen – und wer den etwas unansehnlichen Kellerabgang mitzählen möchte, kommt sogar auf neun!
Was mag Architekten und Baumeister um 1892 bewogen haben, so viele Türen in ein Kirchengebäude einzuplanen? Modernste Brandschutzbestimmungen? Eine kürzliche Massenpanik, wie sie heutzutage eher in Discotheken vorkommt?
Schnell waren sie jedenfalls, die Bauleute von damals. Im März 1893 gab es den ersten Spatenstich und genau ein Jahr später wurde Einweihung gefeiert.
Die Nicolai-Kirche steht „falsch herum“, wundert sich Wilhelm Meyhoff, ehrenamtlicher Küster und langjähriger Baukirchmeister. Denn üblich ist die Ausrichtung des Altarraums nach Osten. In Ückendorf wurden gleich beide Kirchen nach Westen ausgerichtet. Die katholische Schwesterkirche ein paar Meter die Straße hinunter präsentiert sich ebenso. Vielleicht steckt auch hier ein hochmodernes Konzept der 1880er Jahre dahinter, mit der Tradition zu brechen und die Kirchen ebenso wie die Wohnhäuser anzuordnen, mit dem Eingang zur Straße hin?
Auch in ihrem zweiten Jahrhundert scheint sie den Stürmen der Zeiten recht gelassen Stand zu halten. In zwei Weltkriegen wurde zwar einiges beschädigt, aber richtig kaputt gingen gerade mal die Fenster. Die Türen (!), die Bänke, das Deckengewölbe innen – all das ist „Original 1894“.
„Als wir 1996 saniert haben, stellten wir fest, dass auf der Nordseite das Dachgebälk nur notdürftig geflickt war“, erzählte Meyhoff. „Es war fast ein Wunder, dass diese wackelige Konstruktion so lange gehalten hatte. Schließlich fiel einem Gemeindemitglied ein, dass diese Stelle in den letzten Kriegstagen von einer Brandbombe getroffen worden war.“ Sorgsam sind sie also umgegangen mit ihrer Kirche, die Ückendorfer. Kleinere Schäden wurden sofort repariert, manchmal mit mehr Phantasie als mit gutem Material und deutscher Gründlichkeit – und so steht die Nicolai-Kirche bis heute wie ein Fels in der Brandung des Verkehrs auf der Ückendorfer Straße.
Im Innenraum sollte es sich niemand entgehen lassen, auf die Empore zu steigen. Im südlichen Seitenschiff gibt es ein prächtiges Rosettenfenster (siehe Foto). Wenn die Sonne herein scheint, entfaltet es seine ganze Leuchtkraft. Zudem gibt es dort oben die wunderbare Sauer-Orgel von 1894 aus der Nähe zu bestaunen. Erwähnenswert ist auch das „Friedens-Fenster“ im nördlichen Seitenschiff. Während nach dem ersten Weltkrieg die gefallenen Gemeindemitglieder auf Schrifttafeln in der Turmhalle im Haupteingang festgehalten wurden, wählte die Gemeinde nach dem zweiten Weltkrieg eine ganz andere Form des Gedenkens.
Im Kirchraum breitet an der Ostwand eine Christus-Figur segnend ihre Arme aus. Die Skulptur war das Zentrum des ursprünglichen Holzaltars. Er wurde 1951 abgebaut und durch einen schlichten Altar aus Stein mit Kreuz und Kruzifix ersetzt. Aus dem Jahr 1952 stammen die Fenster im Altarraum mit Christus in der Mitte (siehe Foto) sowie Szenen aus dem Leben Jesu links und Darstellungen seiner Gleichnisse und Sprüche rechts.
Die Nicolai-Kirche ist geöffnet sonntags um 10 Uhr zu den Gottesdiensten sowie nach Absprache mit dem Gemeindebüro der Evangelischen Apostel-Kirchengemeinde Gelsenkirchen. KB